Zur Baugeschichte der „Stumm-Orgel“ in der Martinskirche von Waldlaubersheim
(aus dem Gutachten von Prof. Dr. Jürgen Eppelsheimer, München 1981, zur Restaurierung der Orgel)
“ Laut Aussage von F. Bösken „Die Orgelbauerfamilie Stumm aus Rhaunen-Sulzbach und ihr Werk“, Mainz 1960 und der Neuausgabe 1981 mit Korrekturen und Ergänzungen von Anneliese Bösken, wurde die Orgel von Waldlaubersheim 1741 von Stumm erbaut.
Bösken nennt als Quelle „Archiv des Landeskirche Rheinland: Fragebogen 1944; Damals erfolgte im Hinblick auf geplante Requisition von Zinnpfeifen für Kriegszwecke mit Hilfe von Fragebogen, die an die Pfarrämter gesandt wurden, eine Bestandsaufnahme der im damaligen Reichsgebiet vorhandenen Orgeln.
Nach eingehender Untersuchung der Orgel bestätigt der Sachverständige, Herr Prof. Dr. Jürgen Eppelsheim, München, in seinem Gutachten nicht nur die Zuweisung an die Stummwerkstatt in Rhaunen-Sulzbach, sondern auch noch darüber hinaus, an deren Gründer, Johann Michael Stumm (1683 – 1747).
Das in Waldlaubersheim angewandte Prospektmodell und die diesem zugeordnete Einteilung der Manualwindlade ist innerhalb der bisher bekannten Praxis des Johann Michael Stumm sonst nur durch das erhaltene Werk von Oberlahnstein bezeugt. (Diese Orgel wurde nach archivarischen Überlieferungen 1742 in Auftrag gegeben).
Die Datierung des Waldlaubersheimer Werkes auf 1741 wird durch diesen Sachverhalt unterstützt.
Johann Michael Stumm errichtete in dem nicht mehr vorhandenen früheren Kirchengebäude von Waldlaubersheim ein einmanualiges Werk (Umfang 48 Töne) von 12 Manualregistern.
Außer der Manualwindlade und den vorgenannten Registern bzw. Pfeifen ist von der ursprünglichen Anlage des Werkes nur das Obergehäuse (Prospektgeschoss), in 1863 leicht veränderter Form, erhalten.
Eine Anzahl von Pfeifen des Originalregisters fand Prof. Dr. Eppelsheim 1966 bei der Besichtigung der Stumm-Orgel in Ravensbeuren (Hunsrück). Die Erklärung für den Ortswechsel ist darin zu sehen, dass dieselbe Werkstatt, die in Waldlaubersheim Pfeifen neu eingebaut hat, den nun verfügbar gewordenen Stumm-Pfeifen in der Ravensbeurer Orgel eine neue Funktion gab.
1862/63 wurde das „einschiffige Langhaus und die Apsis“ der Kirche von Waldlaubersheim „in guten neuromanischen Formen“ neu errichtet (Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Neubearbeitung, Rheinland-Pfalz, Saarland, München 1972, S. 962).
Im Zusammenhang mit diesem Kirchenneubau schuf die Orgelbauwerkstatt Schlaad in Waldlaubersheim 1863 unter Beibehaltung von Obergehäuse, Manualwindlade und Pfeifenwerk der Stumm-Orgel die noch vorhandene, nur in Teilbereichen später veränderten Orgelanlage. Die Jahreszahl ist durch Schlagstempel „1863 Waldlaubersheim“ auf einem Zwischenrahmenstück gesichert.
Neu angefertigt wurde folgendes:
Untergehäuse, Spielanlage, Spiel- und Registertraktur für Manual und Pedal, Pedalwindlade samt Pfeifenwerk beider Pedalregister, Gebläse (2 Kasten- und Stöpselbälge).
Während ursprünglich, angesichts der seitlich angeordneten Spielanlage, das Werk Johann Michael Stumms mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Brüstung der ehemaligen Orgelempore eingebaut war, platzierte man jetzt die Orgelfront um zwei Bankreihen von der Brüstung entfernt und ließ die Anlage bis unmittelbar an die Westwand des Kirchenschiffes reichen.
Nach der Zwangsablieferung der Stummschen Prospektpfeifen im Kriegsjahr 1917 wurde der Prospekt in Form aluminierter Zinkpfeifen erneuert. Nach 1945 wurde der Pedalumfang auf 27 Töne erweitert, dabei die Pedalklaviatur und die gesamte Pedaltraktur einschließlich Pedalkoppel in zeitentsprechenden Materialien und Bauformen durch die Fa. Gebr. Oberlinger, Windesheim, neu angefertigt. Außerdem wurde ein elektrisches Schleudergebläse auf dem Dachboden über der Orgel installiert und mit dem bereits 1917 eingebauten Magazinbalg verbunden.
Trotz erheblicher Veränderung der ursprünglichen Anlage kann die Orgel von Waldlaubersheim als weitgehend unverfälschtes Zeugnis der Arbeit einer Werkstatt und eines Meisters ersten Ranges, Johann Michael Stumm, betrachtet werden.
Dies gilt auch besonders in klanglicher Hinsicht. Sowohl der kraftvoll vitale, lockere, farbige und schöne Klang als auch der materielle Befund der Pfeifen lassen erkennen, dass es sich um eines der nicht mehr zahlreichen Werke handelt, die von den verfrühten Restaurierungen der ersten Nachkriegsjahrzehnte verschont geblieben sind.
Das bis 1981 auch Stumm-Kennern gänzlich unbekannte Werk erweist sich als höchst gewichtige Bereicherung der erhaltenen Arbeiten Johann Michael Stumms, und darüber hinaus, als Musikinstrument wie Baudenkmal herausragender Bedeutung.
Alle an einem solchen Werk im Sinne der Restaurierung zu treffenden Maßnahmen unterliegen dem Gebot strengster Respektierung vorhandener, unersetzlicher Werte und einer von Verantwortungsgefühl getragenen Sorgfalt auch im kleinen Detail.“